Andreas A. Berse
· 13.09.2024
Thomas Frank hatte Anfang der Neunziger eine geniale Idee: Er war im Audi Marketing und setzte auf die Historie. Die Geschichte der vier Ringe, die Wurzeln bei Audi, DKW, Horch, Wanderer und schließlich NSU – bisher in der Kommunikation eher ein Nebenthema – erkannte der kluge Stratege als Stärke der Premiummarke aus Ingolstadt. Dass er daraus später die Audi Tradition entwickeln sollte, war die eine Seite seines Plans, der im Nachbau des Sechzehnzylinders Typ C der Auto Union und des passenden Stromlinien-Rennwagens gipfelte. Und all diese historischen Helden sollte es auch en miniature zu kaufen geben. Kleine Botschafter würden dann den Image-Turbo zünden.n.
Da kam Marc Hufenbecher ins Spiel und in die Audi-Stadt – auch als Entwickler des passenden Modellauto-Programms! Der gelernte Einzelhandelskaufmann war 1994, als er in die Stadt an der Donau umzog, kein Miniaturen-Rookie mehr: „Ich hatte mich bei der Votex in Dreieich mit dem Thema Accessoires beschäftigt, auch mit Modellautos für Audi und VW.“ Danach ging es Schlag auf Schlag. Der Sechzehnzylinder Auto Union Typ C kam in 1:87 von Busch, in 1:43 von Minichamps und in 1:18 von CMC – die Stromlinie folgte. Hufenbecher begeistert: „CMC hat für die Recherche der Originale damals mehrere Videos gedreht und weit über 1000 Bilder geschossen, um allen Finessen perfekt auf die Spur zu kommen. Das ist Hingabe!“ Vom Horch 853 entwickelte CMC außerdem fantastische Modelle in 1:24 und 1:12.
„Der IMSA GTO von Minichamps ist für mich der beste 1:18er“
Der Weg zur Miniatur hat sich seitdem grundlegend verändert. Der Eintracht-Frankfurt-Fan:„Früher sind wir mit den 1:10-Designmodellen zu den Miniaturherstellern gegangen, und die haben dann was entwickelt. Die Aufträge gingen manchmal per Handschlag über die Bühne.“ Heute bereitet Hufenbecher die CAD-Daten der Originale für die Modellauto-Firmen akribisch auf. Anfangs machte er selber Fotos, heute kommen auch manchmal die Konstrukteure der Miniaturen vorbei und shooten noch zusätzliches Material. Sogar Klassiker werden gescannt. Denn: Nur das liefert die Rezeptur für die Perfektion en miniature.
Und wenn der Mann von der Audi Tradition für das„Produkt- und Lizenzmanagement Modellauto“ – so sein offizieller Titel heute – die Qualität genau im Auge hat, verlangt er Präzision wie Ferdinand Piëch bei einer Nullfuge. Das liefert auch Stoff für Anekdoten. Hufenbecher:„Als Anson den ersten Audi 100 als Coupé für ein 1:18-Modell ablichtete und alles exakt umsetzte, bekam der Modell-Prototyp eine verkleinerte Cola-Dose als Extra im Interieur. Sie war halt bei den Fotos auch an Bord gewesen.“
Auch manch anderes Detail zeigt bis heute Charme und Stil. Noch einmal der sympathische Überzeugungstäter: „Wenn wir etwas haben wollten, dann haben wir das auch fast immer bekommen.“ So etwa die originalgetreue Sonnenbrille, die man heute noch im 1:43-Modell des Audi Cabriolets von Norev im Ablagefach der Mittelkonsole entdecken kann. Selbstverständlich eine aus der Audi-Kollektion!
Zurück in die Neunziger: Neben den historischen Ikonen zündeten die vier Ringe und das Modellautomanagement auch ein Feuerwerk in Sachen aktuelle Highlights. Der Audi Avus quattro, der Audi quattro Spyder oder das fantastische Showcar Rosemeyer – all diese neuen Studien brillierten in 1:1 und kamen später verkleinert auf den Markt. Und der Audi TT der ersten Generation wurde sogar zum Topseller en miniature. Wenn man Paul G. Lang von Minichamps nach dem Straßenauto fragt, das sich bei seinem Debüt in 1:43 am besten verkauft hat, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Der erste TT von Audi. Da sind wir mit der Produktion einfach nicht nachgekommen.“ Zum Thema Minichamps steuert „Hufi“ bei: „Wir sind damals bei 1:43-Modellen zu Minichamps gewechselt, weil die Qualität aus Aachen in den frühen Neunzigern wegweisend war – Audi-like halt!“
Marc Hufenbecher, der die vier Ringe mit Leib und Seele lebt, ergänzt einen Augenblick später: „Das mit dem Nachproduzieren ging Schuco bei dem ersten Audi R8 als Miniatur in 1:43 nicht anders. Auch da haben wir permanent nachbestellt. Der R8 bewegte eben die Sammlerherzen!“
„Ich habe jeden Tag in meinem Job bei Audi genossen!“
Die Geschichte der vier Ringe und ihrer Ikonen lieferte weiteren Nachschub für die Vitrine. Und der war nicht selten sportlich. Hufenbecher: „Die Audi quattro und Walter Röhrl sind da natürlich ein extrem emotionales Thema, und auch der Audi 90 quattro IMSA GTO ist für mich ein Highlight. Das passende 1:18-Modell von Minichamps ist eine der besten Rennsportminiaturen in dieser Baugröße – bis heute. Auch der Audi S1 von Ottomobile in 1:12 begeistert mich.“ Und die Le-Mans-Sieger mit den vier Ringen kamen später auch noch hinzu!
Der Mann kann auch zuhören. Denn: Mit dem Originalsound dieser Traumwagen aus Ingolstadt kennt sich der Gralshüter der verkleinerten Historie ebenfalls sehr gut aus. Die Frage nach dem coolsten Motorsound ist da schnell beantwortet: „Im Stand eindeutig der Sechzehnz ylinder Typ C, in Fahrt der IMSA GTO. Sein 2,2-Liter-Fünfzylinder-Turbo mit 720 PS hört sich einfach brachial an!“
In Le Mans war Marc Hufenbecher bei den legendären 24-Stunden-Siegen fast immer dabei. Vorteil: Er wuchs in Frankreich auf. „Französisch habe ich schon im Kindergarten gelernt!“ Da werden viele Erinnerungen wach:„Ich bin ja auch Comic-Fan und habe alle ,Michel-Vaillant‘-Bände. Jacky Ickx hat mir die komplett signiert. Das war immer ein toller Job, und ich werde bis zum letzten Tag meine Freude daran haben.“
Solche Rennen und nicht weniger die renommierten Oldtimer-Veranstaltungen markierten eben auch unvergessliche Augenblicke. Hufenbecher: „Wenn du mit Nick Mason, Frank Biela, Tom Christensen und Nigel Mansell zusammenstehst, dann weißt du, was für einen Traumjob du da hast!“
Ende Mai ging Hufenbecher in den Unruhestand. Jetzt hat er unter anderem genug Zeit für seinen ganz privaten Oldtimer: einen Citroen 2 CV. Gibt es abseits der vier Ringe ein Lieblingsauto? Das wollen wir noch wissen. Auch hier muss der Experte nicht lange nachdenken: „Die Renault Alpine A 110. Das wäre was! Ein echter Traumwagen.“
Le Mans 2011. Der Autor steht mit Marc Hufenbecher in der Dunlop-Schikane. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und a bisserl über das Rennen. Audi gewinnt in einem epischen Fight mit etwas mehr als 13 Sekunden vor Peugeot. Diese Momente sind unvergesslich. Servus Hufi, und viel Spaß mit der Ente!