Klassiker mit SpieltriebDie Traditionsmarke Siku

Unbekannt

 · 18.06.2021

Die Traditionsmarke Siku
Foto: Markus Bolsinger

Einhundert Jahre reichen die Spuren von Siku zurück. 1950 wurde der Marke eingetragen und gilt heute als innovative Ikone, die Generationen von Kinderzimmern geprägt hat.

Es wirkt etwas wie Science-Fiction oder Raumschiff Enterprise, was in dieser Halle passiert. Einen blauen Siku-Traktor Typ New Holland T7- 315 fügt ein Roboter wie von Geisterhand zusammen – vollautomatisch, exakt alle 7,5 Sekunden. Am Schluss parkt in der weltberühmten Blisterverpackung der renommierten Marke für Taschengeld-Autos ein Fingerabdruck der hauseigenen Innovationskraft. Vor genau 100 Jahren gründete Richard Sieper ein Gießereiunternehmen in Lüdenscheid. Bestecke, Aschenbecher und andere Konsumgüter liefen dort zunächst einmal von den Bändern. Als in den Fünfzigern thermoplastische Kunststoffe aufkamen auch Badezimmer-Spiegelschränke. Konsumgüter ganz anderer Art, die sich eher an Dreikäsehoch-Verbraucher richten, kamen mit dem Eintrag der Marke Siku in den Fokus: Spielzeugautos. Zunächst bauten die Sauerländer ihre Fahrzeugträume aus Kunststoff, 1963 startete eine Serie mit Zinkdruckgussmodellen, die in den Folgejahren das Programm der Top-Marke prägen sollten. Es war ein steiler Aufstieg in den Spielwaren-Olymp. Früher galt 1:60 als das Maß der Dinge, Mitte der Siebziger mutierte dann 1:55 zur Hausbaugröße.

Foto: Markus Bolsinger

Seit 1983 erweitern Landwirtschaftsmodelle in 1:32 das Angebot, 1984 übernahm Siku die große Marke Wiking und pflegt diese Ikone so behutsam wie erfolgreich weiter. Doch zurück in unsere Halle. Sie steht in Zlotoryja, einer 16.000-Seelen- Gemeinde der polnischen Euroregion Neiße knapp zwei Stunden östlich von Dresden. Das teilweise feuerrote Werk ist nagelneu, 2015 errichtet, und warum es hier steht, erläutert uns jetzt Britta Sieper, Gesch.ftsführerin der Sieper GmbH, dem Unternehmen hinter dem Namen Siku: „Wir produzieren Teile des Siku-Programms in China, wollten aber auch immer einen Standort in Europa haben. Jetzt haben wir einen optimalen Platz gefunden, um die Strategie umzusetzen.“ Denn hier konnten sich die weltoffenen Sauerländer an der Ulica Przemyslowa 7 in einem gerade erschlossenen Industriegebiet ihre Fabrik auf Maß schneidern lassen. Drei unterschiedliche Produktlinien rollen vom Band: die klassischen Siku-Modelle aus Zinkdruckguss, die funkferngesteuerten High-End-Spielzeuge von Siku Control und die weltberühmten Kunststoffmodelle von Wiking. Damit dieser Plan aufgeht, muss aber nicht nur das Werksgebäude auf der Höhe der Zeit sein, sondern auch das Innenleben. Winfried Neumann, der Kopf für die Arbeitsvorbereitung bei der Sieper GmbH, auf die Robotermontage angesprochen: „Wenn wir in Europa produzieren, dann müssen wir einen hohen Grad an Automatisierung in die Prozesse einfließen lassen. In China kann man vieles ,händisch’ machen, auf unserem Kontinent sprengt eine solche Fertigung den Kostenrahmen, der uns konkurrenzfähig macht.“ Michael Knorr, Kollege für Entwicklung und Produktion, ergänzt: „Solche Fertigungsschritte finden Sie bei der Lackierung, aber auch bei der Bedruckung, und die Montage ist der nächste Innovationspunkt.“

„Eines muss Ihnen klar sein, wenn Sie so etwas Neues angehen: Es braucht Monate, bis das zu funktionieren beginnt.“

Die Krux dabei: Der Kollege Roboter, eine Entwicklung von Harting für die Automobilindustrie, kann viel mehr, als Siku braucht. Britta Sieper: „Eines muss Ihnen klar sein, wenn Sie so etwas Neues angehen: Es braucht Monate, bis das zu funktionieren beginnt.“ Nun prangt in Rot „Made for Siku“ an der Fertigungsmaschine, und Winfried Neumann weiß, warum: „Nur in einem langen Lernprozess mit den Experten von Harting war dies möglich. Am Anfang brauchen Sie eine steile Lernkurve, aber nur dadurch haben wir es doch erfolgreich hinbekommen.“ Es könnte sein, dass diese neuen Fähigkeiten die Produktion in Polen in der Zukunft umwälzen. Britta Sieper: „Das Experiment Fertigung in Polen gewinnt neue Möglichkeiten, und wir könnten an diesem Standort noch effizienter arbeiten, die Produktionszahlen bei gleicher Fabrikgröße steigern. Zwei Millionen Modelle pro Jahr, verteilt auf die Marken Siku und Wiking, sind es jetzt bereits – Tendenz steigend. Doch nicht nur bei der Endmontage sind Gehirnschmalz und Qualifikation der Mitarbeiter das A und O, wenn echte Modellträume entstehen. Ein wichtiger und auch kostenintensiver Part bei den Siku-Modellen ist die Lackierung. Bogumita Mitul legt den Audi Q5 in 1:55 in eine kleine Montage-Vorrichtung und befestigt die Türen des Miniatur- SUV, die danach in einem genauen Winkel offen stehen. Sie erklärt uns: „Jedes Modell hat da einen anderen Öffnungwinkel, damit bei der Lackierung möglichst wenig Spritzschatten entstehen.“ Lackiert werden Hunderte von Rohkarosserien auf einmal, montiert auf drehbaren Vorrichtungen, die wie an der Spitze aufgehängte Weihnachtsbäume aussehen. Dekoration ist das Aufwendigste und zugleich auch das Teuerste im Produktionsprozess eines Spielzeugautos. Warum, das sehen wir am Arbeitsplatz von Sylwia Kvawesyk. Auf einer Drehscheibe sind VW Bulli als blaue Lieferwagen montiert. Die Karosserien lassen sich um ihre Horizontalachse drehen. Wie von Geisterhand werden sie oben, an der Front und auf den Flanken mehrfarbig bedruckt. Dazu fährt ein Stempel mit Farbe auf die Zinkdruckgusskarosserie. Sylwia Kvawesyk: „Wir bestücken die VW-Lieferwagen in Kästen neben der Maschine, die greift sie da heraus und fängt an zu arbeiten. Und ich überwache nur, ob sie perfekt und fehlerfrei läuft. Alles andere geht automatisch.“ Und zwar mit einer Präzision, die einfach zu einer Spielzeuglegende mit Ausstrahlung dazugehört. Denn diese Genauigkeit ist ein Geheimnis der Siku-Qualität. Jaroslaw Szymanski, Werksleiter in Polen, der immer ein Lächeln auf den Lippen hat: „Je moderner die Fertigung wird, desto höher sind die Ansprüche an die Mitarbeiter. Die Fähigkeiten müssen mitwachsen.“ Britta Sieper: „Es wird die größte Herausforderung sein, das Personal mit genug gut geschulten Mitarbeitern aufzustocken, wenn unsere Fertigung weiter wächst.“ Und das soll nicht nur bei den klassischen Spielzeugautos von Siku gelingen, sondern auch bei den funkferngesteuerten Control-Produkten, meist Traktoren in 1:32 mit ausgetüftelter Antriebstechnik und raffinierten Beleuchtungs-Features. Doch hier ist die Montage wegen des begrenzten Einbauraums so kniffelig, dass der Mensch noch nicht zu ersetzen ist. Aufgrund der zahlreichen Elektronik- Bauteile, die treffsicher montiert werden wollen, sieht es hier trotzdem nach Hightech aus. Und wir sind vollends überzeugt: Innovation gehört bei Siku zur hauseigenen Tradition.