Andreas A. Berse
· 29.10.2025
Frau von der Leyen, wir müssen reden! Auch auf die Modellautohersteller rollt ein lebensbedrohlicher Bürokratie-Tsunami zu. Das Epizentrum liegt bei Ihnen in Brüssel.
Stichwort: EU-Lieferkettengesetz! Es ist schon sinnvoll, Kontrolle zu haben, woher die Waren kommen und wie sie produziert werden. Aber nicht so! Ein Hersteller aus Deutschland: „Als wir unseren chinesischen Partnern gesagt haben, welche Dokumentationspflichten für das Gesetz zu erfüllen sind, haben die uns angeguckt, als seien wir Marsmenschen. Viele der verlangten Daten wurden dort noch nie erhoben!“ Die gute Nachricht oder Ironie des bürokratischen Schicksals: Das Gesetz sollte am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Am 15. Dezember 2024 zog Brüssel selbst die Notbremse und gab den Firmen mehr Zeit. Hintergrund des Stopps auf letzter Rille: Die EU wusste noch gar nicht, in welchem Format die Firmen ihre Dokumentationen anliefern sollten. Das ist so, als hätte man vergessen, die Schnallen an der bürokratischen Zwangsjacke anzunähen. Ein schwacher Trost: Zunächst gilt das Gesetz in Deutschland für Firmen ab 3000 Mitarbeiter. Bedeutet aber auch: Wer heute an Porsche, Mercedes-Benz und Co Modelle liefern will, muss alle Anforderungen erfüllen! Übrigens, liebes Brüssel: Wie Lieferkettengesetz-genau kontrolliert ihr denn die teilweise schrottige Temu-Ware nach euren eigenen hochgestochenen Bürokraterien?
Stichwort: EU-Verpackungsverordnung! Früher gab es den „Grünen Punkt“, und damit war alles erledigt. Heute blüht die Brüsselerb Kleinstaaterei! Wer aktuell in die EU versendet, der braucht für jedes einzelne Land eine eigene Akkreditierung bei einer Entsorgungsbehörde und muss auf die Verpackung ein für dieses Land passendes Logo kleben. Italien, Polen, Frankreich – jedes Land hat ein anderes! Die Sammlerbox ist verhunzt, die Kosten sind teilweise heftig – für Händler wie Hersteller. In Spanien kostet die Registrierung einmalig 1300 Euro und jedes Jahr 350 zusätzlich. Das fühlt sich für Kleinserienanbieter und -händler mit 50er-Auflagen schon fast an wie eine Schlinge um den Hals. Der Sprecher einer Firma: „Wir werden bei kompakten Modellen wie im Maßstab 1:87 wohl bald wieder Beipackzettel machen müssen. Ist das dann etwa nachhaltig?“ Revell hat bereits bei Farbdöschen Infozettel zum Ausklappen! Ein Hersteller aus der Automobilindustrie unterhält mittlerweile Versandbänder, die nach den Ländern geordnet sind. Dort bekommen die Modellautoboxen dann kurz vor der Verpackung zum Verschicken der Ware ihre länderspezifischen Embleme und Texte draufgepäppt.
Stichwort: EU-Produktsicherheitsgesetz! Wer Modelle produziert oder damit handelt, braucht zu jedem Artikel eine Sicherheitsinformation in Landessprache mit Adresse des Produzenten oder Importeurs, wenn nötig, auch vom Rechtsnachfolger. Und: Beim Versand müssen diese Infos auf die Box fest aufgeklebt sein. Wird die Sammler ebenfalls nicht freuen. Das gilt übrigens auch für Gebrauchtwaren. Gibt es die Firma nicht mehr, haftet der Händler! Zudem muss für jeden Artikel ein Dossier darüber angelegt werden, woraus das Modell hergestellt wurde. Bei hohen Auflagen mit der Chargen-Nummer. So wie beim Marmeladenglas, das man zurückverfolgen kann, wenn es einen Mangel hat. Der „Modellautorückruf“ muss möglich sein! Falls der 1:43-Airbag nicht funktioniert ...
Wohlgemerkt gilt das auch bei Sammelminiaturen, die für Kinder unter 14 Jahren ohnehin laut Verpackung nicht geeignet sind. Wenn man Gutes will, kommt nicht automatisch Gutes dabei heraus. Und die Branche vonderleydet gerade still vor sich hin. Das nenne ich EU-Bürokratitis!
Warum wir darüber schreiben? Das ist alles andere als lustig, denn: Es hat negative Konsequenzen für unser Hobby. Jede neue Bürokratisierung macht es kleinen Herstellern noch etwas schwerer, überhaupt zu überleben. Und unsere Branche hat viele kleine – zumindest aus der EU-Perspektive im Verordnungs-Wolkenkratzer! Leider gilt: Mehr Bürokratie kostet Geld. Das macht Produkte teurer und die Auflagen, die verkauft werden können, noch kleiner. Eine Teufelsspirale! Außerdem schrumpft so die Vielfalt, und die Auswahl für die Sammler wird immer geringer. Aber gerade Vielfalt hatte sich die EU doch eigentlich einmal auf ihre Fahnen geschrieben, Frau von der Leyen! Und über die EU-Entwaldungsverordnung haben wir noch gar nicht geredet. Ja: Die gibt es wirklich! Ein weiterer Bürokraten-Dschungel aus Brüssel, der jede Verpackung betreffen könnte.