Unbekannt
· 18.06.2021
Der Volkswagen Typ 34 im Bügelfalten-Design wird jetzt 60. Unser Autor zeigt historische Verkleinerungen des unvergessenen Klassikers.
Es ist wieder da: unser Auto-Quartett mit dem Titel „Volkswagen“, das uns schon in der letzten Folge gute Dienste geleistet hat. Wie schicksalsschwangere Tarot-Karten legen wir die Blätter auf den Tisch und sind gespannt, wie das Urteil der Gelehrten vor gut einem halben Jahrhundert ausfiel. Und es überrascht. Denn war der „kleine Karmann“ noch „Beliebt bei den Damen“ und der Buggy gar „Der junge Boulevard-Geländewagen“, so schleudern uns die Quartett-Weisen beim Typ 34 ein ebenso knochentrocken wie prophetisch anmutendes „Hat viel Konkurrenz“ entgegen. Und in der Tat, der „große Karmann“ hatte zeitlebens kein leichtes Spiel. In den Genuss einer Würdigung durch Autohistoriker und Sammler kam er erst spät. Denn: Ja, der kleinere Karmann mit seinen Rundungen an den richtigen Stellen war nicht nur beliebt bei den Damen, er war auch erschwinglich. Ein bildschönes Auto, das Glanz und italienische Unbeschwertheit auf die deutschen Straßen zauberte. Der Typ 34 lieferte dazu das genaue Kontrastprogramm. Das 1961 vorgestellte Coupé basierte schließlich nicht auf dem Käfer, sondern auf dem Typ 3 und war somit deutlich wuchtiger als der Typ 14. Aber neben der schieren Größe polarisierte zusätzlich das Design. Ein ausdrucksvolleres Habichtsgesicht mit derart tief heruntergezogenen Augenbrauen hatte die Automobilwelt noch nie gesehen. Und dann diese rasiermesserscharfen, die ganze Karosse umlaufenden Falze, die wie die Bügelfalten eines italienischen Maßanzugs wirkten. Nicht umsonst titulierten die Briten den Wagen gerne als Razor-Edge-Ghia, auf Deutsch: Rasiermesser-Ghia. Ein Design, das italienisch und amerikanisch zugleich wirkte, denn die stilistische Nähe zum Chevrolet Corvair ist bis heute nicht zu verleugnen. Der große Karmann war also in jeder Hinsicht scharf, und dazu passte auch sein gepfefferter Preis, der zum Produktionsstart 1961 stolze 3000 Mark über dem einer Typ-3- Limousine lag. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diesem strengen Coupé letztendlich kein großer Erfolg gelang und auch das Cabrio nicht über das Prototypenstadium hinauskam. Wenig enthusiastisch zeigten sich auch die Modellautohersteller. Selbst der 1600TL war begehrter, denn um den rissen sich nicht nur Gama und Mebetoys, sondern auch Norev, Dinky Toys und Matchbox. Der große Karmann hingegen wurde von Wiking und den bekannten Die-Cast-Ikonen weitestgehend verschmäht. Nur Corgi Toys stellte 1963 eine formal sehr gelungene, kommod gefederte Miniatur in 1:43 vor, bei der beide Hauben geöffnet werden konnten. Die vordere, unter der ein schlanker, brauner Koffer schlummerte, wurde dabei durch das von außen zugängliche Reserverad angehoben. Wer hingegen den Motor bewundern wollte, der fand ihn unter einem beweglichen, transparenten „Geheimfach“. So viel Liebe zum Detail gab es wirklich nur bei den rührigen Walisern aus Swansea! Das einzige weitere Zinkdruckgussmodell des Typs 34 kam aus dem Sauerland, wo Siku einen fabelhaften 1:60er auf die dünnen Räder stellte: mit beweglichen Türen und Scheinwerfern aus Strass – ein Prachtstück der Lüdenscheider Modellschmiede. Obwohl die straffen Konturen und Bügelfalten des Typs 34 damals unfassbar schwer in Blech zu pressen waren und selbst die Karosseriebauer von Karmann an den Rand der Verzweiflung gebracht hatten, ließen sich japanische Blechspielzeugproduzenten nicht abschrecken. Besonders Ichiko machte mit seinen detailverliebten, in unterschiedlichen Ausführungen erhältlichen Coupés in 1:20 von sich reden. Die mehrfarbig lithografierten Modelle wirkten allerdings ein wenig zu limousinenhaft. Besser proportioniert und insgesamt knackiger erschienen die im selben Maßstab gefertigten Miniaturen von Shimazaki. So war bei ihnen das von Sergio Sartorelli gezeichnete Design mit dem charakteristischen Falz an Flanken und Front fehlerfrei in die Blechkarosserie ge presst, zudem das ausdrucksstarke Gesicht tadellos getroffen. Die Qualitätsanmutung des Typs 34 von der Firma mit dem Mount Fuji im Markenlogo setzte sich auch im Detail fort. So waren kunstvoll lithografierte Felgen und edel vernickelte Anbauteile serienmäßig. Lediglich für einen Batteriebetrieb und funktionierende Scheinwerfer verlangte Shimazaki dann doch einen moderaten Aufpreis. Wer einen großen Karmann aus deutscher Produktion suchte, der wurde nur bei JNF in Fürth fündig, wo unter dem Namen „Struxy“ ein atemberaubender Typ 34 in 1:18, mit Fernsteuerung und Beleuchtung gefertigt, von den Bändern lief. Leider war die Qualität des damals verwendeten Kunststoffs derart alterungsanfällig, dass heute fast alle Struxy-Modelle stark deformiert sind. Nahezu ausgestorben sind auch die Plastik-Slotcars in 1:60 von Marusan, die zu den größten Raritäten unter den Miniaturen des Typs 34 gehören. Ist die Zahl der Miniaturen älteren Datums zum großen Karmann doch recht überschaubar, so ist seine Marktpräsenz in heutiger Zeit deutlich gestiegen. Den Beginn machten die HO-Modelle von Fischer, die später unter den Namen Praliné und Busch weiterlebten, und selbst Herpa hat in diesem Maßstab ein ordentliches Coupé im Portfolio. Von Matchbox gibt es sogar seit ein paar Jahren ein Cabriolet in circa 1:64. Zu den High-End-Miniaturen zählen aktuell sicherlich der 1:43er von Minichamps und der traumhafte 1:18er von BoS. Aber begann diese Story nicht mit einem Auto-Quartett? Und warum dürfen gute Modellautos eigentlich nicht auch aus Papier sein? Dass dies geht, beweisen die federleichten 1:43er von Kit Toys aus Tallinn. Rund fünf Tage Arbeit stecken in jedem dieser kleinen Kunstwerke, und wer sie besitzt, der sollte lieber Nichtraucher sein!