Lieber Lothar Rietze: Warum haben Sie 1983 Rietze Automodelle gegründet?
Lothar Rietze: Ich habe selber von 1960 bis 1983 Modellautos gesammelt, hatte ungefähr 7500 Stück – ohne Farbvarianten. Mein Maßstab war 1:87, denn ich interessierte mich für die Modelleisenbahn. Ich hätte in meiner Sammlung gerne Japaner gehabt. Damals gab es aber in 1:87 nichts. Da hab ich mir gesagt: Die bauen wir jetzt selbst. So hat Rietze Automodelle klein begonnen, in der Banatstraße 40 in Nürnberg-Zabo. Wir haben die Aufträge an Fremdfirmen gegeben und dann unsere Projekte selber gesteuert, damit schöne Miniaturen von Mitsubishi und Co dabei herauskommen. Wir sind zu den Firmen gegangen und haben gefragt, ob sie nicht Interesse an Miniaturen in 1:87 hätten. Einige haben die Nase gerümpft oder mit dem Kopf geschüttelt, andere haben uns Aufträge erteilt. Damals haben wir unsere Päckchen für die Kunden noch in der Küche gepackt.
Wie ging es dann weiter?
Lothar Rietze: Wir haben dann unsere eigene Firma entwickelt und unsere Fähigkeiten ausgebaut. 1985 habe ich meinen ursprünglichen Beruf aufgegeben und bin voll eingestiegen. Wenn du langfristig Qualität bauen willst, dann musst du einen eigenen Formenbau haben, die Dekoration der Miniaturen in deiner Hand haben. 1996 sind wir nach Altdorf umgezogen. Schon 1991 hatten wir begonnen, in Zwickau einen Zweitbetrieb für die Produktion aufzubauen. Mir war immer eines wichtig: Ich wollte Modelle in Deutschland bauen.
Wie kamen die Busse ins Spiel?
Lothar Rietze: Als wir den ersten Audi 100 in 1:87 gemacht hatten, sind wir zu Neoplan gegangen und haben dort mal angeklopft. Der Neoplan Cityliner und der Setra 315 HD sind bis heute wichtige Erfolgsmodelle in unserer Unternehmengeschichte. Damals gingen sechsstellige Stückzahlen in kürzester Zeit. Wir haben uns dann auf das Thema Busse weiter konzentriert und dort auch technische Patente entwickelt. Zum Beispiel für Inneneinrichtungen mit Einzelsitzen.
Was sind Ihre ganz persönlichen Lieblingsmodelle aus 40 Jahren Rietze?
Lothar Rietze: Unser Erfolgreichster war der Audi TT in 1:87, von dem wir insgesamt 850.000 Stück hergestellt haben. Für eine Aktion mit Audi und Lufthansa mussten wir sage und schreibe 200.000 TT-Modelle in nur zwei Monaten bauen. Da haben uns die Konkurrenten für verrückt erklärt. Aber: Wir schafften es. Das schönste Modell mit vier Ringen war für mich persönlich der Audi Avus, da haben wir sämtliche Preise für abgeräumt.
War das früher die goldene Zeit des Modellautos?
Lothar Rietze: Wir genossen bei vielen Autohersteller ein großen Vertrauen, insbesondere bei Audi, als Franz-Josef Paefgen dort war. Der war wie ich Modelleisenbahn-Fan. Da wurden Aufträge per Handschlag besiegelt.
1:87er werden immer exakter. Verlieren sie da nicht Charakter?
Lothar Rietze: Es gibt heute keine Handmuster und Ur-Modelle mehr. Auch wir arbeiten jetzt selbstverständlich mit CAD-Entwicklung und 3D-Mustern, bedrucken und dekorieren mit den modernsten Maschinen. Da geht manchmal die Seele in der Exaktheit etwas verloren. Aber: Du musst gerade in 1:87 immer noch übertreiben und untertreiben, wenn das H0-Modell richtig wirken soll.
Was haben 40 Jahre Rietze Ihnen persönlich gegeben?
Lothar Rietze: Die Anfangszeit hatte eine tolle Aufbruchstimmung. Wir wollten mit unseren Kunden wunderschöne Modelle bauen. Heute ist das Modellauto manchmal fast nur noch ein Wirtschaftsgut. Das finde ich schade. Das ist nicht mehr meine Zeit. Aber ich bin ja aus dem Operativen auch raus. Das macht jetzt mein Sohn Christian. Und er macht das wirklich sehr gut.