Kleinserien-InsiderDer 1000-Euro-Schwan

Andreas A. Berse

 · 24.03.2024

Kleinserien-Insider: Der 1000-Euro-SchwanFoto: AutoShow.at
Es gibt Automobile, die sind so selten zu sehen wie das Ungeheuer von Loch Ness. Und manchmal gibt es auch Modellautos, die sich sehr rar machen, kaum noch zu erhalten sind oder deren Preise bis ins Unermessliche nach oben klettern können. Um genau solch eine Rarität dreht sich diesmal unser Kleinserien-Insider. Und dieses Auto ähnelt in vielen Details einem Tier. Aber nicht einem Ungeheuer, sondern einem stolzen Schwan in 1:43.
Es gibt nicht nur Wolpertinger und das Ungeheuer von Loch Ness, sondern auch den rollenden Schwan
Foto: AutoShow.at

Diese Geschichte muss erst einmal mit dem Original beginnen, einem sehr exzentrischen Unikat. Der Engländer Robert Nicholl „Scotty“ Matthewson gab das Auto 1909 bei Brooke aus Lowestoft in Suffolk auf Basis des Rolls-Royce 25/30 HP in Auftrag. Der Aufbau entstand aus einer Mischung von Holz und Alabastergips. So wurden auch winzige Federn herausgearbeitet. Der Schwan, der aus der Motorhaube herauswächst, war ebenfalls gesetzt.

Vergoldete Lotusblätter und silbern verzierte Fische waren im Gefieder des weißen Vogels zu entdecken. Um der Schrulligkeit dieser Fahrzeugschöpfung die Krone aufzusetzen, hatte der Besitzer weitere höchst ungewöhnliche Extras geordert. So bestanden die Augen des Schwans aus elektrischen Lichtern, die im Dunkeln leuchteten – 1910 eine der ersten Automobilbeleuchtungen überhaupt – und das Dach ähnelte einem Gartenpavillon. Die Reifenprofile konnte während der Fahrt von Staub und Dreck gereinigt werden, um das strahlende Weiß der Karosserie nicht zu gefährden. Zusätzlich gab es kleine Hämmerchen, die wie bei einem Xylophon Melodien auf den Auspuffrohren spielten, und ein weiteres Ventil im Abgasstrang lenkte in Anlehnung an die Posaune des Erzengels Gabriel einen Teil der Abgase in eine achtpfeifige Pfeifenorgel des Swan-Cars. Angeblich wurden die Hämmerchen sogar von einem Musikprofessor und einem Instrumentenbauer gestimmt. Neben Abgasen des Motors konnte der Schwans auch „echte“ Häufchen machen: Am Heck befand sich eine technische Vorrichtung, die auf Knopfdruck eine verklumpte Mischung aus Kalk und Wasser als weiße Haufen auf den Straßen hinterließ. Die Spitze dieser Gadgets war eine Wasserspritze für heißes Kühlwasser im Maul des Schwans, mittels derer aufmüpfige Passanten und unbelehrbare Tiere verscheucht werden konnten. Begleitet wurde das Ausspritzen von einem druckluftgesteuerten Fauchen, wie es Schwäne beim Angriff von sich geben.

Es ist überliefert, dass bei den ersten Ausfahrten in den Straßen von Kalkutta Passanten, Kühe, Wasserbüffel, Ochsen Elefanten und Kamele nach einer kurzen Schrecksekunde regelmäßig panisch in alle Richtungen zu flüchten versuchten. Doch aufgrund der überfüllten Straßen der Stadt kam es zu diversen Unfällen und verbrühten Passanten.

Das heute restaurierte Auto steht in der Louwman-Collection in Holland. EMC baute dieses verrückte Automobil in handwerklich brillanter Qualität als 1:43er aus Resine nach. Johann Stegny von Auto-Show.at zu MODELL FAHRZEUG: „Es ist sehr selten, dass heute so ein Swan-Car überhaupt noch angeboten wird. Wenn diese 1:43-Modelle auf den Markt kommen, dann werden sie nicht selten zu Preisen von bis zu 1000 Euro gehandelt. EMC ist eben eine sehr begehrte Marke, und das Swan-Car eine echte Rarität.“

Für den Kultstatus dieses weißen Automobils en miniature mag aber auch die Machart sorgen, mit der EMC das Unikat umgesetzt hat. Dieses 1:43-Modell überschreitet die Grenze vom Modellauto zu einer kleinen Skulptur und ist damit selber auch so etwas wie ein Kunstwerk, ein Kleinkunstwerk eben.

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