Es geht aufwärtsDie Gabelstapler-Historie bei Wiking

Unbekannt

 · 21.06.2021

Wiking-1:87er der Esslinger Maschinenfabrik
Foto: Ulrich Biene

Beinahe seit Eugene Clark den Gabelstapler erfunden hat, spielen diese Fahrzeuge bei Wiking eine Rolle – zunächst als Industriemodelle.

Es sind beschwerliche Wiking- Jahre vor und gleich nach der Währungsreform 1948. Wohin geht die Reise der Berliner Modellbauwerkstätten in der Marktwirtschaft? Das fragt sich Fritz Peltzer. Da kommt der Auftrag zu einem Clark Gabelstapler gerade recht. Ein Demonstrationsmodell soll es werden, funktionell – zur Kundenakquise geeignet. Jetzt, fast 70 Jahre später, lässt Wiking die Geschichte wieder lebendig werden – mit der Miniaturisierung des 1:25-Modells als 1:87er. So sieht lebendige Wiking-Historie anno 2021 aus! Back to the roots – aber eben auch: Zurück in die Zukunft. Das jüngste Projekt macht es den Lüdenscheider Konstrukteuren leicht: Das Industriemodell aus dem Archiv hat alles, was ein Wiking-Vorbild braucht. Hinzu kommt, dass sogar das Urmuster von Modellmeister Alfred Kedzierski bereitsteht. Schon deshalb fällt der Silberling in der 87- fachen Miniaturisierung auf den ersten Blick filigran aus. Zwischen dem ersten H0-Gabelstapler nach Esslingen- Vorbild DG2 und der neusten Clark-Errungenschaft liegen Welten. Dabei tragen beide dieselbe Handschrift: Alfred Kedzierski war es, der den Modellen ihre Form gab! Ein schöner Kontrast, der deutlich macht, wie sich der Modellbau in sieben Dekaden verändert hat.

Die Industrie als Wachstumsmotor erhält 1948 neue Dynamik – und Fritz Peltzer nutzt vor allem zahlungsverlässliche Industrieaufträge von VW, Hanomag oder eben Clark. Der Reiz des Modellbaus in anderen Maßstäben lässt Peltzer nicht ruhen, sein Modellbaumeister Alfred Kedzierski gilt als wichtigste Stütze. Auch bei Schultz-Stinnes in Mülheim/Ruhr, die 1947 mit einem Reparaturservice für den US-Stapler Clark begonnen hatten und 1952 die ersten Clark-Geräte in Lizenz bauen. Die amerikanische Stapler-Schmiede von Eugene B. Clark gilt noch heute als Stapler- Wiege. Ruhr Intrans Hubstapler heißt dann die neue Clark-Produktion, die dem US-Stapler zum Erfolg verhelfen will. Die Berliner Wiking-Macher erhalten den Auftrag, ein verkaufsförderndes Industriemodell zu fertigen, das mit seinem technischem Detailreichtum und vorbildgetreuer Funktionalität den Kunden überzeugen soll. Gesagt, getan. Wiking baut das erste Modell – und die Auftraggeber im Herzen des Ruhrgebiets sind zufrieden. Der Karosserieblock mit Sitz und Bedienhebeln ist stimmig. Aber vor allem die Hubeinheit macht jene Authentizität aus, die den Kunden Ruhr Intrans Hubstapler nicken lässt. Die Hydraulikeinheit kann auf doppelte Höhe herausgeschoben werden. Der Aha-Effekt – und darauf kommt es bei dieser 25fachen Verkleinerung an – gelingt. Einige tausend Exemplare gehen schließlich nach Mülheim und finden den Weg auf unzählige Schreibtische von Spediteuren und Lageristen. Auch siebzig Jahre später macht der Blick auf die Formen die Wiking-Geschichte lebendig.

Der Stahl gibt keinen Grund zur Sorge, das 1:25-Modell wurde inzwischen sehr häufig revitalisiert. 2021 folgen jetzt neue Formen für die 1:87-Miniatur. Nach dem 1:25-Clark-Modell nimmt Alfred Kedzierski schon 1957 seinen zweiten Stapler, diesmal für den Maßstab 1:87 und nach Vorbild der Maschinenfabrik Esslingen, in Angriff. Am 21. Juni notiert er, dass er 30 Stunden mit dem Bau des Urmodells für einen „Still Gabelstapler 2 to“ verbracht habe. Tatsächlich handelt es sich bei seinem Erstlingswerk „im angenäherten Maßstab 1:90“ um den zwei Tonnen stemmenden „DG 2“ der Maschinenfabrik Esslingen. Dieser Dieselstapler läuft mit einem 34-PSAggregat von Mercedes Benz. Die unterschiedlichen Vorbildtypen bedeuten in der Rückschau längst keinen Widerspruch, geht die Staplerproduktion in Esslingen doch kurz darauf in der Firma Still auf. Kedzierski legt die Miniatur bereits so funktionell an, dass das Fahrzeugoberteil durch ein eigenes Karosserieunterteil ergänzt wird. Das Hubgerüst lässt sich auch beim Wiking-Modell leicht neigen, während die eigentliche Gabelvorrichtung vertikal zu verschieben ist.

Natürlich lassen die Berliner Modellbauer auch einen Fahrer Platz nehmen und spendieren ihm anfangs ein Vierspeichenlenkrad, das einige Jahre später durch ein fein ausgeführtes Dreichspeichenlenkrad ersetzt wird. In den letzten Programmjahren folgt schließlich eine Zweispeichenversion. In jedem Fall erfüllt der Wiking-Stapler den spielerisch- funktionellen Einsatzzweck und ist schon deshalb auf den Modellanlagen beliebt. Unter der Modellnummer „117“ entwickelt sich der Stapler ab 1958 schnell zur sicheren Bank – die Stückzahlen stimmen, sodass 1961 eine Bestückung mit den 1959 als Zubehör eingeführten Stapelkästen möglich wird. Auch die auf der Karosserie umlaufende Sicke und eine heckseitige Stoßstange stehen 1961 am Ende einer Formenänderung.

Jetzt wird auch das „WM“ auf der Bodenplatte ergänzt durch die dreistellige Artikelnummer und die Herkunft „Germany“. 1978 mit der Einführung der vierstelligen Artikelnummern wird der gleiche Stapler in der Bildpreisliste zur „1170“. Bereits in diesem Modelljahr ist erkennbar, dass Wiking eine originalgetreue Veränderung vorsieht: Vier bohrungsförmige Aufnahmen oberhalb der Karosserie künden davon, dass sie in den letzten Programmjahren bis 1982 der Verankerung eines Überrollkäfigs dienen werden. Besonders skurril: Während der handelsübliche Stapler mit vorderer Doppelbereifung bestückt wird, liefert Wiking die gleiche Miniatur an Rivarossi aus Italien mit heckseitiger Doppelbereifung. 1984 legt Wiking mit dem Still R70 eine neue Generation auf, die designbetonter wirkt. 1993 folgt der Still R 70-16, bevor 1997 die kompaktere Version des Still R 70-16 das Spektrum ergänzt. Die neuesten Typen RX 70-25, RX 70-30 Hybrid, aber vor allem der kleine Gigant RX 60 mit der Vierergabel sind ein topaktueller Kontrast dazu. Clark, Maschinenfabrik Esslingen und Still – drei Stapler schreiben bei Wiking heute Nachkriegsgeschichte.