EnergieleistungAlternative Antriebe beim Modellauto

Fabian Houchangnia

 · 27.01.2023

Energieleistung: Alternative Antriebe beim Modellauto
Alternative Antriebe sind auch in der Modellautowelt ein Thema von historischer Dimension, wie dieses Bild unterstreicht | ht

Die Energie zum Fahren holten sich VW-Modellautos aus ganz unterschiedlichen Quellen – wie dieser historische Überblick belegt.

Die Mobilität des 21. Jahrhunderts ist eine Mobilität im Aufbruch. Der noch bis vor wenigen Jahren als Sparwunder gefeierte Dieselmotor befindet sich im freien Fall, und auch der Ottomotor wird in nicht allzu ferner Zukunft mutmaßlich nur noch auf Veteranentreffen präsent sein. In der bunten Welt der Miniaturen hingegen spielten Verbrennungsmotoren praktisch kaum eine nennenswerte Rolle. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Modellautos entweder geschoben oder mittels Schwungradantrieb oder Aufziehmotor bewegt. Erst Firmen wie Schuco oder TippCo bauten endlich auch Elektromotoren in ihre Blechmodelle.

Bandai-Käfer und 911 mit wechselbarer Antriebseinheit
Foto: Fabian Houchangnia

Den wahren Durchbruch der E-Mobilität en miniature verdanken wir aber den Japanern, die diese Art der Fortbewegung auch für ein größeres Publikum erschwinglich machten. Ein sehr frühes und heute seltenes Exemplar dieser Gattung war der hinreißende Ovali-Käfer der Firma Masudaya aus Tokio. Bei dem Modell in 1:21 wurde mittels eines Hebels in der Flanke der Gang eingelegt, und schon raste der Wolfsburger los. Weitaus ingeniöser, aber nichtsdestotrotz noch erschwinglich waren Modelle mit Kabelfernsteuerung. Hier war die Batterie in der Fernsteuerung untergebracht, während sich der Antrieb selbst im Fahrzeug befand. Über die Fernlenkung konnten zudem erstaunliche Sonderfunktionen in Gang gesetzt werden: Wie von Geisterhand öffneten und schlossen sich Türen und Hauben, Lichter gingen an, und im Motorraum werkelten sogar beleuchtete Aggregate. Das wohl schönste und aufwendigste Exemplar dieser Art produzierte Yanoman im Riesenmaßstab 1:12: einen schlichtweg fabelhaften 1600 TL aus tiefgezogenem Blech. Leider überlebten nicht viele Autos mit Fernsteuerung im originalen Zustand, denn häufig kappten Sammler die sperrigen Kabel, um die Autos besser in der Vitrine unterzubringen.

Der Volkswagen Käfer als „Atom-Auto“ nutzte die Kraft der Magneten für seine ebenso geheimnisvolle wie sensationelle Fortbewegung | ng
Der Volkswagen Käfer als „Atom-Auto“ nutzte die Kraft der Magneten für seine ebenso geheimnisvolle wie sensationelle Fortbewegung | ng

In dieser Hinsicht waren Modellautos, die in gewisser Weise erstmalig „autonomes Fahren“ praktizierten, besser aufgestellt. Denn bei Autos mit „Bump’n’Go Action“ – im deutschsprachigen Raum sperrig als „Anstoß-Wende-Automatik“ bezeichnet – gab es kein lästiges Kabel. Stattdessen sorgte ein sich frei drehendes, mittig am Wagenboden installiertes Führungsrad dafür, dass die Wagen bei Auftreffen auf ein Hindernis selbstständig wendeten und weiterfuhren. Die Eltern rauften sich oft die Haare, da die robusten Spielzeuge nicht nur vor die Möbel donnerten, sondern auch häufig einen infernalischen Lärm machten. Das begehrenswerteste Exemplar dieser Gattung ist mit Sicherheit das „Agent Car“ von Yonezawa, ein wahrer Gigant in 1:12 aus Kunststoff, der nicht nur das autonome Fahren beherrschte, sondern auch Tricks, die dem Gehirn von James Bonds „Q“ entsprungen sein könnten. So wurden nach dem Motorstart hinter vormals undurchsichtigen Milchglasfenstern die Umrisse von Polizisten sichtbar, das Blaulicht begann zu blinken, und unter Sirenengeheul und lautem Geknatter spuckten die Maschinengewehre im Heck rote Lichtsalven.

Einen weiteren Schritt zurück in die Zukunft beschritt der japanische Kultproduzent Bandai. Selbst heute sind Batteriewechselstationen für Elektroautos noch nicht wirklich verbreitet, doch bereits 1965 legten die Japaner noch eine Schippe drauf: Bei ihren Blechkäfern und 911ern im Maßstab 1:21 konnte mit wenigen Handgriffen die ganze Antriebseinheit samt Fernsteuerung und Batterieversorgung ausgetauscht werden. So waren binnen weniger Sekunden verschiedene Modelle bereit für einen neuen Einsatz. Den zivilen Käfer gab es hierfür inklusive Wechselantrieb im Set mit dem Porsche. Eine ADAC-Variante des Wolfsburger Krabblers konnte separat erworben werden.

Aber neben der Elektromobilität existierten bereits in den Fünfzigern Zukunftsvisionen, in denen Fahrzeuge mit Düsen- und Raketenantrieb das Straßenbild beherrschten. Auch hier hatte die Spielzeugindustrie die passende Antwort parat: Das „Atom-Auto“ der Magneto-Werke. Nur „durch Strahlungskraft“ bewegt, rasten hier Brezelkäfer in HO wild durch die Wohnzimmer. Genial: Im Heck der Modelle waren Magnete fixiert, direkt davor war ein kleines Antriebsrad positioniert. Näherte man sich den kleinen Autos mit dem mitgelieferten Magnetstab, so erfolgte ein mehr oder weniger gezielter Vortrieb.

Vorläufiger Höhepunkt bei der Entwicklung alternativer Antriebe im Spielzeugsektor war jedoch zweifelsohne der „Electronic Guzzler“ (hier abgebildet in der sehr kuriosen „Wolkswagen“-Verpackung aus Italien) der Ideal Toy Corp. In den 1980ern produziert, war der schnittige VW in 1:25 das erste Modellauto, das mit „Wasserantrieb“ lief. Was sich natürlich bei näherer Betrachtung als kleiner Schwindel herausstellte, denn das mittels eines Kanisters durch eine kleine Öffnung in der Kofferraumhaube eingefüllte Nass diente lediglich als Leitmittel für den ungestörten Fluss elektrischer Ladung. Der eigentliche Vortrieb erfolgte dann selbstverständlich durch einen Elektromotor, der von einer Neun-Volt-Batterie gespeist wurde. Ein herrliches Spielzeug und wohl auch der ultimative Beitrag zum Thema E-Mobilität en miniature!