Die Wiking-Ahnengalerie des VW Bulli in 1:40 - Flower-Power

Ulrich Biene

 · 28.09.2024

Die Wiking-Ahnengalerie des VW Bulli in 1:40 - Flower-PowerFoto: Ulrich Biene
Die Hippie-Bewegung sorgte einst für kunterbunte VW-Bullis. Wiking lässt die Sechziger mit einem 1:40-Modell wieder lebendig werden und erinnert an ein weiteres Erfolgskapitel der Traditionsmarke.
Der gläserne Käfer und der VW T1 mit transparentem Dachteil sind die absoluten Wiking-Modellikonen in 1:40
Foto: Ulrich Biene

Hauptsache kunterbunt, es durfte auch gern ein geschwungener Regenbogenmix sein. Blumen waren das ultimative Zeichen der Hippie-Bewegung in den wilden Sechzigern. „Love and Peace“ war die Parole, an die Wiking jetzt mit dem VW T1 Samba Bus in seiner selten aktivierten Maßstabsgröße 1:40 erinnert. Die Traditionsmodellbauer blicken aus gutem Grund fünf Jahrzehnte zurück, als die Flower-Power-Frauen geblümte Mini-oder Maxikleider trugen. Vieles war mit Regenbogen-Ornamenten verziert, wie sie sich am neuen VW Samba Bus wiederfinden. Mit dem VW T1 – diesmal in der fensterreichen Ausführung – beendete Wiking Ende der Sechziger seine 1:40Ära. Der „große Maßstab“ lief ersatzlos aus, weil das H0-Programm seinerzeit kaum die Nachfrage bedienen konnte.

Tatsächlich galt der Traditionsmodellbauer bis in die späten Sechziger als wichtigster Modelllieferant von VW. Die 1:40-Modelle von Käfer, Bulli & Co gingen entsprechend der gedruckten Farbpalette in aller Herren Länder. Die Wolfsburger Werbeabteilung war bis zum Ende der T1-Baureihe auf Wiking eingeschworen. Filigrane Displays mit den Wiking-Großmodellen schmückten lange Jahre den Showroom der Volkswagen-Vertretungen. Bis heute legendär und eine wirkliche Rarität ist das oft im Schaufenster platzierte Karussell mit vielen bunten 1:40-Modellen, das sich pausenlos elektrisch drehte. In den Zubehörregalen der Händler türmten sich die Wiking-Kartons mit VW-T1-Modellen für die Kundenwerbung. Auf den Laschen war die jeweilige Farbgestaltung des Modells zu sehen.

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Angefangen hatte alles mit einem Paukenschlag: Für VW sollte es die große Werbemittelinnovation der Nachkriegsjahre sein, als Wiking die Modellbox„Der gläserne Käfer“ vorstellte. Das Erstlingswerk, das Wiking-Chef Fritz Peltzer angebahnt hatte, verfing bei den Autobauern – die Bestellungen ließen nicht lange auf sich warten. Im Karton enthalten waren Fahrgestell, Inneneinrichtung, Räder und natürlich die transparente Karosserie. Von nun an ging es voran. Schon 1949 schickte Wiking das gelungene Modell mit wirklichem Spielwert für 3,90 Mark in den Handel. Was beim Käfer funktionierte, sollte auch beim VW Typ 2 zünden. Beim ersten Bulli war die Karosserieoberschale ebenfalls transparent ausgeführt. Zudem hatte Wiking-Modellbaumeister K edziersk i maßstäbliche Figuren und Koffer platziert: ein zweites Funktionsmodell, das für Furore sorgte! Auch bei Wiking-Modellbau. Denn in der Mitte der letzten Reihe hatte ein schlanker Herr mit Hut Platz genommen. Die Ähnlichkeit mit dem Wiking-Chef war kein Zufall – Alfred Kedzierski hatte sich einen Spaß erlaubt. So wie Alfred Hitchcock, der in seinen Filmen auftrat.

Die modellbauerische Evolution war funktionsgetrieben. Anfangs noch unverglast, lässt sich bei der Pritschenausführung des VW T1 schon das Werkzeugfach unterhalb der Ladefläche öffnen. Mit zum Modell gehörten die Plane und natürlich das illustre Ladegut. Der „große Maßstab“ kam nicht von ungefähr: Im Jahr der Währungsreform vor 75 Jahren befand sich das Programm der Verkehrsmodelle im Maßstab 1:100 noch im Aufbau. Peltzer konnte nicht annähernd einschätzen, ob das neu gewählte Geschäftsfeld Erfolg versprechend sein würde. In der Nachfolge des Schiffsmodellbaus aus Vorkriegszeiten schlau gedacht, denn mit der Industrie und ihren Werbemittelwünschen sorgte Wiking gleich von Beginn an für Auftraggeber, die verlässlich zahlten. Eigene Liquidität war in der Wiking-Kasse angesichts der hohen Investitionen vonnöten. VW blieb fortan bei der 40-fachen Miniaturisierung, andere Auftraggeber von Clark über Fahr und Normag bis hin zu Hanomag präferierten wechselnde Baugrößen von 1:25 bis 1:60.

Dass die VW-Werbemodelle die ganzen Jahre über„made in Kiel“ waren, wussten seinerzeit nur wenige. Fritz Peltzer traute nach der Sowjet-Blockade und der gigantischen Luftbrücke der Alliierten dem Vier-Mächte-Status Berlins nicht über den Weg. Eine zweite Dependance musste her. Nach einer ersten Alternativ-Fertigung in Buer bei Melle ließ Peltzer die Fertigung vom niedersächsischen Wiehengebirge an die Kieler Förde umziehen.

Seine Sympathie galt der Stadt im Norden, weil er dort seine Kindheitsjahre verbracht hatte. Die cleveren Jungs in der Brückenstraße bekamen nach dem vollzogenen Umzug 1951 schnell spitz, was in der alten Speiseanstalt am Rand des Marinearsenals passierte. Dort wurden lauter bunte Autos gebaut! Die Brückenstraße zählte zur Kieler „Fischer-Ansiedlung“. Dorthin hatte man bei der Gründung des kaiserlichen Marinearsenals die Fischer verdrängt – damals eine beschauliche Wohngegend. Die Burschen standen Gewehr bei Fuß, wenn die Wiking-Frauen froh gelaunt auf der rückseitigen Terrasse Frühstücks-oder Mittagspause machten. Mal bekamen die Jungs das Bulli-Unterteil, mal das Karosserieoberteil. Den Kieler Grundschülern machte es einen Riesenspaß, sich nach und nach einen VW Bus oder Käfer zusammenstecken zu können. Im Laufe der Zeit gelang es den jungen Kielern immer wieder, einen ihrer gierigen Blicke in die Produktion zu werfen. An den Scheiben drückten sich die Jungen die Nase platt.

Der VW T1 in 1:40 sollte in Kiel bis zum Produktionsende aus Wiking-Formen purzeln – danach übernahm der Modellbauer Renner aus Altdorf bei Nürnberg den Job des Werkslieferanten und schloss mit dem VW T2 im Wiking-Baustil nahtlos an den VW-Auftrag an. Für Fritz Peltzer sollte es in den späten sechziger Jahren ein Gebot der Stunde sein, sich auf das erfolgreiche H0Sortiment zu konzentrieren. Der Flower-Power-Bulli, ab August lieferbar, erinnert den großen Wiking-Maßstab, der bei den Markenfreunden längst nicht vergessen ist. Für einige besitzt er bis heute gar Kultcharakter.

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