Die Milch macht’sDas Thema Milch bei Wiking

Ulrich Biene

 · 05.10.2022

Die Milch macht’s: Das Thema Milch bei WikingFoto: Ulrich Biene

Das ist wirklich erste Sahne: Wiking und Milch haben gemeinsam über Jahrzehnte eine Erfolgsgeschichte eingeschenkt.

Die Milch ist bei Wiking ein Thema mit unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten und kultigen Lebensmittelmarken
Foto: Ulrich Biene

Fässer, Getränkekästen, Kohlen – Ladegut ist bei Wiking Pflicht. Schon 1959 kam die Milch ins Spiel. Denn: Alltagshistorie, modellbauerisch präsentiert, bedeutet pure Authentizität. So gelangte unlängst der Büssing 8000 als Hängerzug mit Flachpritschen und jeweils drei Aufsetztanks zur Auslieferung. Das dunkelgrüne Gefährt mit Filigranbedruckung der „Meierei C. Bolle“, wie der wohl größte Berliner Milchversorger schon im 19. Jahrhundert hieß, versprüht den Charme der Fünfziger. Damals ging Bolle nach Auslieferung zu Pferd zur Motorisierung über. Die Milch hatte schon vor dem Krieg Versorgungspriorität – danach erst recht. Doch C. Bolle musste sich dem wachsenden Wettbewerb der Marktwirtschaft stellen, versuchte es mit Milchgeschäften, aus denen kleine Lebensmittelfilialen wurden.

Heute alles Geschichte, dafür ergänzt der Büssing 4500 den traditionsreichen 8000er zu einem wirklichen Berliner Traditionsduo. Spaß mit Bolle! Legendär ist sein Vorgänger: Der „kleine“ Büssing 4500 kam 1961 in einer himmelblauen Version mit gleichfarbigem Fahrerhaus, flacher Getränkepritsche und Fahrgestell ins Programm – selbstverständlich mit silbergrauer Milchkannen-Beladung. Schon 1957 hatte Wiking-Modellbaumeister Alfred Kedzierski begonnen, die notwendigen Bauteile zu formen. So konnten die Wiking- Freunde die Premiere des neuen Pferdegespanns erleben – aber mit Sahne. Die Kutsche sollte regelmäßig mit Milchkannen beladen werden. 1959 folgte der noch unverglaste Mercedes-Hauber mit der Nummer 57. Der hatte erstmals den Milchkannen-Spritzling an Bord. Diesen gab es auch im Zubehörtütchen – 20 Milchkannen für 50 Pfennig. Milchfracht gehört in der 1:87- Welt von nun an dazu. Denn die Milchkannen wurden allerorts auf den Bauernhöfen abgeholt, um von der Molkerei zu den Milchläden gebracht zu werden.

Gerade in den Fünfzigern und Sechzigern, als Wiking viel Wert auf die Ausgestaltung seiner Verkehrswelt mit Zubehör legte, gehörte Ladegut dazu. Dazu eignete sich die typische Pritsche mit durchbrochenem Geländer und einer erhöhten Bordwand. Alfred Kedzierskis Formenteil ist heute noch im Einsatz. Der Wiking-Gründer bewies im Programm sein wiederkehrendes Faible für Milch. Freilich griff Fritz Peltzer selbst lieber zum abendlichen Portwein, vor allem immer dann, wenn er gute Bekannte oder den einen oder anderen Wiking-Freund zum Gedankenaustausch eingeladen hatte. Wiking-Mitarbeiter hingegen konnten schon in den Dreißigern zur bereitgestellten Milch greifen. Sie galt lange Zeit als Garant dafür, dass die Mitarbeiter beim Schleuderguss der Schiffsmodelle in der bleigeschwängerten Luft keinen gesundheitlichen Schaden nahmen.

Bis heute schlängeln sich immer wieder andere Gefährte durch die Wiking-Geschichte. Das macht das Milch-Thema umso interessanter, denn die modellbauerischen Impulse sind immer willkommene Sidekicks einzelner Miniaturen. Der blaue Mercedes- Benz L 319 gehört mit dem Nassschiebebild der Milchflasche eher zu den verbreiteten Transportern, dem der Wiking-Chef gleich zum Debüt 1959 so den Einsatzzweck als Milchwagen zuteilte. Anders beim Borgward B 1500 F. Der Transporter wurde alsbald als „Verkaufswagen“ ausgelobt, doch Fritz Peltzer hatte ihm eigentlich die Aufgabe des Milchwagens zugedacht. Der Borgward mit Einzelkabine und Kastenaufbau sollte nach seiner Premiere 1963 nie der ganz große Verkaufsschlager werden. Doch die erst auf den zweiten Blick sichtbare Funktion war schon revolutionär: Die silbergrau gehaltenen Jalousien mit feiner Liniengravur ließen sich mühelos hochschieben und gaben dann den Blick aufs säuberlich aufgereihte Warenangebot frei.

Ganz vorn natürlich die Milchflaschen! In den sechziger Jahren waren Aufbaujalousien im Fahrzeugbau ein völliges Novum – Peltzer brachte sie mit kippbarer Jalousiefunktion früh ins Programm. Dahinter verbarg sich bei Wiking das gesamte Verkaufsprogramm eines damaligen Milchwagens, wie es deutschlandweit lange Jahre durch die Straßen zog und an immer den gleichen Häuserecken Station machte. Sozusagen ein mobiler Garant für die frische Milch- und Butterversorgung. Lange blieb der Borgward als Verkaufswagen der Wiking-Sammlergemeinde vorenthalten, ehe er die verdiente Gnade seiner Revitalisierung fand und in Pastelltönen wieder erstarkte. Bei nahezu allen Borgward- Modellen von gestern bis heute war die Heckwand der Werbung gewidmet: Ein stilisiertes Milchflaschen-Logo in schlichter Zweifarbigkeit zierte die Rückseite häufig. „Trinkt Milch – jeden Tag – Milch ist gesund!“

Der fulminante Schriftzug am Berliner Doppeldeckerbus sollte viel mehr als eine schnöde Werbung sein. Auch sie war dem ausgemachten Sendungsbewusstsein von Wiking-Gründer Fritz Peltzer geschuldet. Milch galt damals als gesundes Lebensmittel. Da kam der mächtige Büssing D2U in den beigen BVG-Farben zwischen 1972 bis 1976 gerade recht, um für einen repräsentativen XXL-Werbeauftritt zu sorgen. Zwischenzeitlich machte Wiking vielfältige Werbung, auch für das längst vergessene Eis von Dr. Oetker. Youngtimer greifen das Thema immer wieder auf – unlängst gab es ein Wiedersehen mit der einstigen Eismarke aus Bielefeld.

Hinzu kamen Kühlwagen nach Vorbildern von „Westmilch“ und „Warnecke“. Dass die Milchwirtschaft ab den Achtzigern fast unbemerkt an Molkerei- Standorten verlor, daran erinnern heute auch Lkw-Züge. Ganz gleich ob „Südmilch“, „Botterblom“ oder „Goldblume“ – diese Marken sind im Alltag rar geworden oder längst Geschichte. Nur die Wiking-Modelle haben ein Stück Historie der Branche eingefroren, als die Milchkannen noch gleich nach dem morgendlichen Melken eingesammelt und zur wenige Kilometer entfernten Molkerei gebracht wurden.