Der Wiking-Winterdienst steht allzeit bereitSchnee von gestern und heute

Ulrich Biene

 · 01.05.2021

Das Thema Winterdienst hat eine jahrzehntelange Wiking-Geschichte schreiben können
Foto: Ulrich Biene

Klimawandel in 1:87? Wenn es schneien soll, dann schneit es. Und der Wiking-Winterdienst rückt zuverlässig aus – seit 1960.

Sie zählen immer noch zu den Ausnahmen modellbauerischer Dioramen, aber gerade darum erscheinen winterliche Landschaften in der 87fach verkleinerten Welt von Wiking so faszinierend. Und noch bevor in den späten Sechzigern Landschaftsgestalter den Schnee als Gestaltungselement für sich entdecken, standen Wiking-Modelle bereit – vom rustikal bespielbaren Schneepflug bis hin zum Filigran-Spezialisten dieser Tage. Geradezu verschämt steht er im Programm, bleibt aber fast unbemerkt: Dem unverglasten Froschauge mit dem Schneeschild sollte eine wirkliche Wahrnehmung von 1960 bis 1961 noch weitgehend verwehrt bleiben – das schmucklose Modell des Unimog 401 ist angesichts der längst begonnenen Ära der verglasten Modelle schneller verschwunden, als es Wiking-Gründer Friedrich Peltzer damals lieb war.

Letztlich sollten die reichlich gelagerten Unimog-Stückzahlen über die attraktivierende Spezialausrüstung noch abverkauft werden, wohl wissend, dass die unverglasten Wiking-Autos im Handel längst ein Restanten Dasein fristen – aus heutiger Sammlersicht ein kaum gutzumachender Modellfrevel. Erst seinem verglasten Nachfolger gelingt der Durchbruch – der Unimog 411 betritt 1964 als sympathisches Winterdienstgefährt die Bühne der Wiking-Verkehrsmodelle. Es ist, wie soll es anders sein, jener Unimog, der mit der geschlossenen Westfalia-Kabine im kommunalen Dienst sein Debüt feiert. Modellbaumeister Alfred Kedzierski hat die wendige Zugmaschine gleich mit zwei pfiffigen Accessoires aufgewertet. Die Pritsche bekommt ein Beladungsteil, das die typischen Gerätschaften des Bauhof-Trupps fein graviert bereithält. Zugleich wird unterhalb der Stoßstange kurzerhand der Schneeschild eingesteckt und mit einem Stift gesichert. Eine ähnlich robuste und für den harten Spielbetrieb geeignete Konstruktion war bereits am Sprengwagen erfolgreich im Einsatz.

Dort ist die heckseitig bewegliche Rolle ähnlich verankert. Beim Winterdienst-Unimog erhält das Fahrgestell unterhalb der Stoßstange eine runde Aufnahme, die das Einstecken des Schneeschilds möglich macht, aber auch gleichzeitig noch eine leichte Drehbewegung nach rechts oder links zulässt. Spieleffekt eben! Bis 1975 bleibt der erste verglaste Unimog im Programm, ehe eine lange Vakanz beginnt, obwohl sich der schon frühzeitig miniaturisierte Unimog 406 als dankbarer Nachfolger angeboten hätte, die Aufgabe zu übernehmen. Erst unter der Ägide der neuen Wiking-Gestalter aus Lüdenscheid soll der Winterdienst immer wieder zeitgemäße Auffrischung erfahren. So vollzieht der Unimog 1300 nach der Zwangspause 1987 einen Neubeginn im 1:87-Räumdienst. Diesmal haben die Konstrukteure das Fahrgestell wie auch beim Vorbild ohne Pritsche genutzt, um den heckseitigen Streuaufsatz aufzubauen. Der breite Schneeschild wird mit deutlich filigranerer Bauteilmimik vorne angesetzt. Und wieder soll es einige Jahre dauern, ehe die neue Unimog-Generation namens U 140 mit asymmetrischer Haube im Zeitraum von 1994 bis 2001 für Erneuerung sorgt. Späterhin feiert der Unimog 400 Premiere, dessen Vorbild noch heute vielerorts die Wintermonate hindurch seinen hilfreichen Einsatz gegen Schnee und Eis versieht.

Es versteht sich von ganz allein, dass man dem winterlichen Treiben in der 1:87-Welt durch einen gestandenen Funktionsvertreter wie den Unimog stets sachgerecht und angemessen Würdigung bereitet. Die letzte Unimog-Generation soll dann der U 20 bleiben, dessen Vorbild doch hinter der optisch imposanteren Präsenz des U 400 zurückbleibt. Die kompakte Zugmaschine erhält einen zeitgemäßen orange-transparenten Warnlichtbalken – die Streueinrichtung, die diesmal auf der Pritsche platziert ist, sowie der vorn eingesteckte Schneeschild bleiben obligatorisch. Weil sich in all den Jahrzehnten im Winterdienst sehr viel getan hat, vollzieht Wiking von Zeit zu Zeit einen willkommenen Lückenschluss und lässt mehrere Varianten folgen. Dem entsprechend fährt der Unimog 411 mit Faltdach und Schneeschild in Diensten der Feuerwehr ins Programm, während der U 400 mit Schneepflug quasi als Hofhund des Technischen Hilfswerkes THW in 1:87 bereitsteht.

Und sogar den sträflich vernachlässigten Unimog 406 können Wiking-Freunde inzwischen in Händen halten. Es ist die Modellchronologie, die gerade bei den so zahlreichen kommunalen Räumfahrzeugen immer wieder für Gesprächsstoff unter Sammlern sorgt. Sie alle wissen meist ganz genau, welche Vorbilder es zusätzlich wert sein mögen, zu wünschenswerter Miniaturisierung zu finden. So fährt passend zu den Tankcontainer-Gespannen der Spedition Rinnen der Unimog im grünen Hauslack und mit kommunalorangem Schneeschild wie Streuaufsatz vor. In den Farben der Feuerwehr erscheint späterhin der Winterdienst-Klassiker, ein Unimog 411, mit Westfalia-Kabine und Schneeschild ausgestattet. Wer zurückblickt, wird sich noch sehr genau daran erinnern, dass die kommunalen Bauhöfe und Straßendienste landauf, landab meist ihre standardisierten Wegewärter-Fahrzeuge mit Pritschenaufbau für die kalte Jahreszeit umrüsteten. So fand in den späten sechziger Jahren der Kurzhauber von Mercedes-Benz zu Dutzenden den Weg auf verschneite Straßen der damaligen Bundesrepublik – die Salzladung mit heckseitiger Streueinrichtung kurzerhand huckepack genommen.

Die jüngste Errungenschaft ist so etwas wie ein Spiegelbild der veränderten Wirklichkeit sechs Jahrzehnte nach der Premiere des Winterdienst-Unimogs. Es ist der VW Amarok, der als Pick-up geradezu prädestiniert erscheint, um in der 87fachen Miniaturisierung zu brillieren. Ein Blick genügt: Mit filigraner Frontaufhängung und zugleich vorbildgerecht aufgesetzten Zusatzscheinwerfern wird der Schneeschild, ganz gemäß dem Hannoveraner Vorbild, stolz in den Verkehr getragen. Selbstverständlich lässt es Wiking nicht an der feinen Bedruckung von schwarzer Gummilippe und rotweißer Warnschraffur an der Oberseite des Schneeschilds mangeln. Der Amarok wirkt genauso, wie man es von einem topaktuellen Winterdienst-Fahrzeug erwartet. Egal ob der Winter kommt oder auch nicht.