Der ÜberirdischeMercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut von CMC in 1:18

Andreas A. Berse

 · 04.11.2022

Der Überirdische: Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut von CMC in 1:18Foto: C. Hoffmann, Mercedes-Archiv (3)

Ja: dieser 300 SLR ist mit 135 Millionen Euro überirdisch teuer. Aber: Er ist viel mehr – auch und gerade in 1:18 von CMC.

Das große Bild zeigt Rudolf Uhlenhaut zusammen mit seinem Sohn in dem Coupé des Mercedes 300 SLR, das ab 1955 seinen Namen trug
Foto: C. Hoffmann, Mercedes-Archiv (3)

Der konnte vorfahren! Als Juan Manuel Fangio sich beim Snack in der Box des Nürburgrings über die Abstimmung seines Werkswagens beschwerte, stand Rudolf Uhlenhaut auf, fuhr mit demselben Auto drei Sekunden schneller als der Champ und forderte ihn anschließend freundlich auf, doch etwas mehr zu üben. Wenn solch ein führender Renningenieur mit mutigem Pilotenherz ein Auto auf die Spitze treiben darf, dann entsteht ein Coupé, das in seiner natürlichen Umgebung wie ein Alien wirkt.

Performance, Beschleunigung, Fahrwerksreserven, aber auch so etwas wie ein erstaunlicher Restkomfort für den Fahrer, der hier eher Pilot ist, mussten beim Mercedes- Benz 300 SLR Uhlenhaut 1955 einfach wirken, als kämen die beiden Coupés von einem anderen Stern. Ein Auto, wie es da Vinci entworfen hätte. Ein Coupé mit der kompromisslosen Renntechnik des Grand- Prix-Siegers Mercedes W 196. Heute sind wir noch ein Stück weiter. Denn der Verkaufspreis, den Mercedes- Benz bei einem Sammler für den „Roten“ der beiden Uhlenhaut erlösen konnte – 135 Millionen Euro – beweist, dass solch ein Fahrzeug auch überirdisch begehrenswert ist – weltweit. Warum das 1955 passierte, unterstreicht ein Satz von Rudolf Uhlenhaut: „Ich bin mit ein paar Rennwagen auf den Nürburgring gegangen und so lange herumgefahren, bis ich es konnte.“

Vielleicht hat er beim Uhlenhaut-Coupé so lange herumkonstruiert, bis das Ergebnis unschlagbar schnell war, 302 PS auf die Autobahn wuchten konnte und bei der Höchstgeschwindigkeit die Schallmauer von 300 Stundenkilometern ziemlich intensiv kitzelte. Das war damals so etwas wie Schallgeschwindigkeit für erdgebundene Autos. So etwas konnte einem passieren, wenn man einen Uhlenhaut von der Leine ließ! Denn der fuhr mit dem Coupé, das schneller als die offenen Renn-SLR war, auch fleißig über die Autobahnen Europas auf eigener Achse zu den Rennen. Stuttgart- München ging dann in einer Stunde, heutiges ICE-Tempo! Radarfallen gab es gottlob erst ab 1959. Zwei Rolling-Chassis wurden mit „Uhlenhäuten“ versehen: die Fahrgestellnummer 196.110-0008/55 – der mit den roten Sitzen, der jetzt verkauft wurde – und der 196.110- 0007/55, der sogenannte Siebener als Experimentalfahrzeug. Der erhielt deshalb immer wieder Verbesserungen in zahlreichen Details, wurde dabei auch umgebaut.

Die „Automobil- Revue“ aus der Schweiz durfte einen der silbernen Wagen 1956 rund 3500 Kilometer über Alpenpässe jagen. Auch das ist heute kaum zu glauben, aber eine Tatsache. Was würden Sie denn von 577 Euro statt 135 Millionen als Verkaufspreis halten? Okay, dieser „Blaue“ wäre dann allerdings nur im Maßstab 1:18 gehalten und nicht von Mercedes- Benz, sondern von CMC gebaut und trefflich konstruiert. Immerhin einer Firma aus Fellbach, dem Schwabenländle also. Wir zeigen hier erste Bilder von einem vorläufigen Handmuster, das diesem Projekt die Auslieferung noch zum Weihnachtsgeschäft ebnen soll. Im Bild ist der innen blaue „Siebener“ zu sehen. Die Spaltmaße der Türen sind noch nicht perfekt. Hintergrund: Einige Werkzeuge, so auch die für die Flügeltüren, wurden neu konstruiert und an modernere Spritzgussmaschinen adaptiert. Diese Teile müssen noch in der Größe angepasst werden. Das ist Feintuning. Und: Es fehlt noch der Mercedes-Stern vor der Motorhaube. 2011 brachte CMC den Blauen 07er erstmals in den Handel. Und der neue, der im Dezember 2022 kommen soll, sieht deutlich anders aus.

Er hat keine Hutze über der Motorhaube, die beinahe bis zu den Scheibenwischern reicht, rechts gibt es offene Auspuffrohre und keinen dicken Endschalldämpfer im Bereich der Tür. Betankt wird über einen Stutzen, der auf der Beifahrerseite durch das runde Heckfenster hervorlugt. Damit ist dieser 300 SLR als später „Siebener“ von CMC von der Miniatur anno 2011 zu unterscheiden. Zudem wird der neue eine Plakette auf der Kehrseite erhalten. Das ist sehr wichtig für die Sammlergemeinde. An unserem Handmuster waren noch zweiteilige Rückleuchteneinheiten montiert, in Serie werden es dreiteilige wie beim Vorbild sein. Was schon vor elf Jahren überzeugend war, bleibt: die Proportionen der lang gestreckten Karosserie, die beim Original aus superleichtem Elektronblech, einer Magnesiumlegierung, gefertigt wurde.

Der direkt einspritzende Reihenachtzylinder im Maßstab 1:18 ist ein Traum an Finessen; hinten machen sich im Kofferraum zwei Reserveräder breit, und hinter den Sitzen ist ein feines Netz gespannt, das Gepäck bei der Fahrt sichern kann. Die Räder lassen sich selbstverständlich dank funktionstüchtiger Schnellverschlüsse demontieren. Und auch diese Speichenräder sind ein Musterbeispiel für Filigranität in der Baugröße 1:18. Dass sich die kleinen Fenster in den Flügeltüren schwenken lassen, wird CMC-Fans nun nicht mehr überraschen. Vielleicht wird es ja doch noch eine eilige Nacht 2022, und bei so manchem Fan parkt dann dieser überirdische Rennwagen mit dem Kennzeichen „W22-6962“ in 1:18 auf dem Gabentisch. Bis der Beschenkte alle Finessen entdeckt hat, vergehen wohl mehr als zwei Feiertage.