Das Drum und DranGaragen, Zubehör und Co bei Wiking

Ulrich Biene

 · 06.05.2022

Das Drum und Dran: Garagen, Zubehör und Co bei WikingFoto: Ulrich Biene

Bis vor 50 Jahren war Wiking beim Thema Zubehör aktiv. Die 3S-Garage bereichert die Frühjahrs-News und erinnert an diese Zeit.

Drahtachser mit epochegerechtem Zubehör
Foto: Ulrich Biene

Nicht das Auto allein treibt den Wiking-Gründer nach dem Krieg um – es ist die Verkehrswelt. Nach der Währungsreform gibt Fritz Peltzer dem Sortiment Zubehörelemente für die Verkehrserziehung mit auf den Weg. Dazu zählen zu Beginn zwei Personengruppen, Verkehrspolizist und Radfahrer, aber auch der Verkehrsplan mit bastelbaren Häusern. Die Garage, die 25 Jahre das Wiking-Sortiment begleiten soll, wird anfangs noch aus einem Karton gefaltet und als bedruckte Verpackung für den ersten Lkw mit Anhänger ausgeliefert. Die begrenzten Möglichkeiten der Investition in neue Formen machen diesen pragmatischen Weg nötig. Die Frage, die den Wiking-Chef beschäftigt, ist immer wieder die gleiche: Hat das Sortiment das Zeug zum Lehrmittel, oder wird es begehrtes Autospielzeug für die Hosentaschen der Jungs?

Das eine tun, ohne das andere zu lassen, so verfährt Fritz Peltzer in den kommenden Jahren. Noch ist in den Regalen der Spielwarengeschäfte der Nachkriegsjahre Platz für Ideen und Waren. Die Modelleisenbahn beginnt 1950 gerade erst, ihren Siegeszug anzutreten, und Landschaftsausstatter wie Faller bewegen sich noch in der Startphase. So lässt Wiking vielversprechende Formen für erste Tankstellen und Tankwarte, aber auch Eisenbahnbedienstete, Gepäckträger mit Handwagen und weitere Personengruppen bauen. Jetzt kommen auch vorbildgerechte Verkehrsampeln, Straßenlaternen und Bogenlampen sowie Haltestellen für Omnibusse und Straßenbahnen hinzu. Verkehrsinseln und Packungen mit Verkehrszeichen sorgen darüber hinaus dafür, dass sich die Straßenpläne ebenso mit Leben erfüllen lassen wie die Modellbahnplatten. Kurz: Das wahre Leben pulsiert in H0. 1953 verkauft Wiking sogar Faller-Bäume, was die Vertriebskraft der Berliner Modellbauer im Vergleich zu den Gütenbacher Häuslemachern unterstreicht. Wiking hat es leichter, im Handel wieder Fuß zu fassen, weil Fritz Peltzer von seiner Kundenliste der Wasserlinienmodelle aus Vorkriegszeiten profitierte. Was einst die Hafenanlagen im Maßstab 1:1250 waren, sollten in den Nachkriegsjahren die reichlich bestückten Straßenpläne werden. Vom maritimen Ge- danken der Wasserlinienmodelle her gelingt es dem Wiking-Chef rasch, das neue, vielversprechende Nachkriegsthema Auto zu besetzen. Diese Miniaturwelt spielerisch auszugestalten, machte Fritz Peltzer Spaß.

Die Wirklichkeit der Fünfziger spielt ihm in die Hände. Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm macht 1949 das Thema Verkehrssicherheit zur Chefsache im Westen Deutschlands. Die gleichlautende Forderung von Schulen, Behörden und Eltern: Es muss eine modern organisierte Verkehrserziehung her! Die Einsatzmöglichkeiten von Verkehrsminiaturen erscheinen grenzen- los: Mit der Zementierung der noch jungen bundesdeutschen Gerichtsbarkeit wächst auch dort die Nachfrage nach Wiking-Modellen, weil sie die Darstellung von Unfallgeschehen leicht, verständlich und nachvollziehbar machen. Der erste Drahtachser-Maßstab 1:100 kommt den Richtern entgegen, weil die Unfallskizzen maßstabsgleich gehalten sind. Immer öfter arbeiten die Gerichtsbarkeit, Staatsanwälte und Verteidiger in den Verhandlungssälen an Magnettafeln– mit Wiking-Modellen. Das Ziel: die Rekonstruktion des Unfalls.

Peltzer ist in den Fünfzigern auf der Höhe der Zeit, beobachtet intensiv die Berichterstattung um die Verkehrserziehung und sucht zwischenzeitlich Kontakt mit den Verantwortlichen. Die heute legendären Wiking-Lehrmittelkästen gehen damals an Fahrschulen wie Bildungseinrichtungen. Doch auch dort gibt es eine zunehmende Spezialisierung. Clevere Akteure wie der Verkehrs-Verlag Remagen (VVR) bündeln ihre Themenkompetenz und schmälern damit mittelfristig die Erfolgsaus- sichten von Wiking, dort auf Dauer Fuß zu fassen. Ungeachtet dessen gelingt es Wiking in jenen Jahren, legendäre Klassiker zu formen. Dazu zählt die Wellblechgarage ebenso wie die Rundgarage oder eben der Bausatz der 3S-Garage, der 1967 vorgestellt wird und heute, 55 später, als Fertigmodell ins Programm zurückkehrt. Das Unternehmen von 3S- Garagen in Göttingen ließ die Selbstbau-Garage vom Typ „Berlin 10“ am gleichnamigen Stammsitz von Wiking miniaturisieren und setzt den Bausatz auch als Werbemittel ein.

Bereits 1965 erlebt das Wiking- Zubehörsortiment den Höhepunkt. Zwei Tankstellen, immerhin vier Garagen, dazu die Telefon-Säule oder Verkehrsampeln, Absperrschranken für Baustellen und zwei Fußgruppen mit jeweils zwei Spritzlingen zählen ebenso dazu wie ein Fahrradständer mit vier filigranen Rädern und natürlich das Polizisten-Quintett mit eindeutigen Armsignalen der Verkehrsregelung. Fritz Peltzer muss in der zweiten Hälfte der Sechziger erkennen, dass es die Wiking-Freunde sind, die ihm verlässliche Sympathie entgegenbringen und eben nicht Fahr- schulen und Co. So nimmt zeitgleich seine Bereitschaft ab, dass Zubehörsortiment zu erweitern und aufrechtzuerhalten. Lediglich die jetzt revitalisierte 3S-Garage kann den Chef von Wiking ein letztes Mal motivieren, in zugehörige Formen zu investieren. Dass sich die Berliner Modellbauer nach über zwei Jahrzehnten peu à peu von dem kleinen und feinen Zubehör verabschieden, hat noch einen weiteren Grund. Tatsächlich hat sich der Spielwarenhandel draußen im Markt inzwischen auf die Wünsche der H0-Freunde eingestellt und Zubehör von Faller, Vau-Pe oder Preiser in die Regale geholt.

1975 ist endgültig Schluss mit dem Drum und Dran. Wiking verzichtet fortan auf das Zubehör und lässt lediglich Ladegut, Absperrschranken und Kleinteile für Umbauer wie Räder und Achsen, Anhängerhaken, Warn- leuchten und Feuerwehrzubehör in seinem Programm.