Andreas A. Berse
· 16.03.2022
Unendliche Kopffreiheit für den Papst, Regierungschefs und Multimilliardäre? Dafür war dieser Mercedes zuständig, den CMC in 1:18 vorstellt.
Auch die Queen hat aus diesem Wagen gewinkt und war „amused“. Als sie, gerade 39 Jahre alt, am 18. September 1965 Deutschland besuchte, fuhr das erste Landaulet des 600ers in Sindelfingen aus der Manufakturproduktion, hat „auto motor und sport“ recherchiert. Das Wetter war schön und die Queen für alles offen, auch für ein zurückgeklapptes Dach. 59 dieser ganz speziellen Landaulets wurden vom W100, so der bürgerliche Name der Staatskarosse, gebaut. 6,24 Meter lang, 1,95 Meter breit, 2948 Kilogramm schwer und trotzdem 205 Stundenkilometer schnell, weil 250 PS stark dank V8 unter der Haube mit satten 6,3 Litern Hubraum.
Der Preis: damals unglaubliche 1,5 Millionen harte Deutsche Mark. Jaja, ich weiß: Alle wollen beim jetzt ausgelieferten dunkelblauen Landaulet dieses 600ers von CMC erst einmal eines wissen: Wie funktioniert denn nun das klappbare Verdeck? Wir möchten die Aufmerksamkeit jedoch zu nächst auf etwas anderes lenken. Auf den Kofferraum! Gut, der ist normalerweise bestenfalls ein mit Textilien ausgekleideter Kubus in 1:18, aber: Hier gibt es beim Landaulet etwas mehr. Ein originalgetreu de - montierbares Reserverad, das auch die Limousine hat, und links drei tonnenförmige, schwarze Elemente im Stauraum. Hintergrund: Das bewegliche Dach mit seiner Mechanik veränderte beim Original das Schwingungsverhalten der Karosserie des 600ers.
Um dies komfortbetont wieder auf den Standard der sänftenhaften Limousine herunterzutrimmen, tüftelten die Techniker aus Sindelfingen an einer pfiffigen Lösung. Die drei Tonnen im Kofferraum sind Schwingungstilger, die nur im Landaulet verbaut wurden. Und CMC zeichnet dieses Detail perfekt nach. So: Nun zum Verdeck, das bei unserem Fotomuster beweglich umgesetzt war und sehr viel Gehirnschmalz in der Konstruktion verbraucht hat. Drei schwierige Klippen musste CMC umschiffen. Erstens: Das Verdeck ist relativ kurz von der Bauart her. Bedeutet: Man braucht ein filigranes Gestänge. Zweitens: CMC wollte unbedingt in einem Feature originalgetreu sein – der 600er hat eine feste Scheibe aus Glas.
Und das wollten die Techniker der Miniaturenschmiede aus Fellbach in der Nähe von Stuttgart glasklar originalgetreu realisieren. Außerdem mogelten sie dabei nicht. Eine Verkleinerung der Heckscheibe hätte klapptechnisch viele Probleme minimiert, kam aber nicht in Betracht. Dritter Knackpunkt: Weil dieses Dach auf einem Landaulet sitzt, endet es seitlich nicht auf einer rahmenlosen Scheibe wie bei einem Cabrio, sondern auf einem der am präzisesten gefertigten Türrahmen der Automobilgeschichte. Einem von Mercedes eben! Bedeutet: Das geschlossene Verdeck sollte möglichst fugenfrei mit den Türrahmen abschließen. Die Auslieferung des 600ers von CMC hat sich auch deshalb um zahlreiche Monate verzögert, weil alle diese Dinge unter einen Hut zu bringen waren.
Das Gestänge besteht aus drei Gussteilen und wird von nicht weniger als 72 teilweise winzigen Zurüstteilen flankiert. Die beiden guten Nachrichten einmal vorweg: Geschlossen liegt das Verdeck unseres Fotomusters passabel, wenn auch nicht perfekt. Die Dachoberfläche könnte noch einen Tick glatter sein. Unser hier abgelichtetes Fotomuster stammte aus der allerersten Vorserie, die ersten handverlesenen Serien- 1:18er kamen wohl noch vor dem Jahreswechsel in den Handel. Ohne Makel haben die CMC-Techniker das Problem mit der Heckscheibe gelöst. Da verdienen sie uneingeschränkten Applaus. Auch schließt das geschlossene Verdeck exakt mit den Türrahmen seitlich ab. Das zurückgeklappte Dach wirkt aber etwas zu hoch.
In der goldenen Version mit Persenning abgedeckt, baut es etwa so hoch wie die obere Rahmenkante der hintersten Seitentür. Originalbilder zeigen, dass es dort etwa zehn Zentimeter tiefer baut. Wollen wir jetzt päpstlicher sein als der Papst, der oft in einem Landaulet fuhr, und über dieser clever ausgetüftelten Konstruktion den Stab brechen, weil sie ein paar Millimeter zu hoch geraten ist? Der Autor bringt das nicht wirklich übers Herz, denn der Mut, sich an solch eine modellbauerische Herausforderung zu wa - gen, muss anerkannt werden. Dieses Verdeck zu bauen, gleicht einer Besteigung des Himalaya, des Dachs der Welt, ohne Sauerstoffmaske.
Sagen wir es mal so: Die Lösung, die CMC gefunden hat, rangiert in diesem Sinne ganz kurz vor dem Gipfel. Und das ist aller Ehren wert. Viel wichtiger: CMC hat nicht davon abgelassen, das Optimum zu realisieren, und ist dabei weiter gekommen als alle 1:18-Hersteller bisher. Noch etwas zum dunkelblauen 600er. Diese Farbwahl war anfangs beim Landaulet sehr be gehrt, wenn es nicht das Schwarz einer Staatskarosse sein sollte. Das Vorbild für das CMC-Modell gehörte deshalb auch einem Privatier, allerdings einem exorbitant solventen. Auch die Käufer des 1:18-Modells haben einen stattlichen Obolus zu überweisen. 914 Euro sind fällig, wenn der Dunkelblaue beim Händler parkt. Zwei Überraschungen noch: Die Räder lassen sich dank Uhrmacherschrauben demontieren, und beim Öffnen der Türen hilft ein Saugnapf- Werkzeug fast so vollendet wie der Chauffeur beim Original.