Ulrich Biene
· 30.03.2024
Mit dem Golf begann bei Volkswagen ebenso eine neue Ära in der Markengeschichte wie in den Berliner Modellbauwerkstätten. Der Wiking-Gründer hatte bis dahin den Käfer lieben gelernt. Erstmals fuhr 1976 ein kompaktes Fahrzeug der Golf-Klasse ins 1:87-Programm.
Basis dieses Erfolgs war das Design von Giorgio Giugiaro, das Modellbaumeister Alfred Kedzierski mit seinen auffällig klaren Formen 87-fach miniaturisierte. Das Golf Cabriolet der ersten Generation nach Vorbild der Osnabrücker Karmann-Schmie- de folgte alsbald, ebenso der später vorgestellte Golf I Caddy.
Wiking-Chef Fritz Peltzer setzte auf alte Typentugenden. Zwar rollten schon die neuen Golf über heimische Straßen, doch in 1:87 wurde erst einmal dem VW 1303 und Helmut Kohls S-Klasse Vorfahrt gewährt. Es sollten noch zwei Neuheiten-Auslieferungen vergehen, ehe 1976 der Golf I als Viertürer seinen ersten Auftritt in 1:87 hatte – für 1,90 DM. Ein Jahr später folgte der Zweitürer. Der Erfolg sollte sich peu à peu einstellen. Behutsam, jedoch ohne dramatische Veränderungen, pflegte Wiking fortan den Golf, der sich immer mehr zum Wolfsburger Dauerläufer entwickelte.
Wiking betrieb gleich beim Golf I dezente Modellpflege: Ein Jahr nach der Präsentation holten die Modellbauer die Gravur des Dreiecksfensters in der Verglasung nach, danach bekam der bislang flächige Kühlergrill eine ansprechende Längsstruktur. Schon 1979 holte Wiking zum Spezialeinsatz aus – der Golf I wurde als Einsatzleitwagen vorgestellt, genau wie er auch bei der Berliner Berufsfeuerwehr in Diensten stand. Und sogar die Entscheidung der Deutschen Bundespost, den Käfer durch den Golf zu ersetzen, besaß bundesweite Signalwirkung – der neue Kompaktwagen war fortan omnipräsent und endlich voll im Straßenbild angekommen. 1981 vollzog Wiking die Line-Extension mit dem von Fritz Peltzer verschmähten VW Jetta, bevor 1983 mit dem ersten Golf Cabrio der Fun-Faktor mit ins Spiel kam. Insgesamt wurden 6.780.050 Golf I bei VW gebaut – in Südafrika lief er noch bis 2010 vom Band.
Im Juni 1983 ging der Golf der zweiten Generation in Serie. Das Design erschien bedeutend aerodynamischer, die C-Säule breiter und der Radstand größer. Wiking gab dem Golf-Strom modellbauerischen Rückenwind und stellte 1985 sowohl den Viertürer als auch den Zweitürer vor. Natürlich purzelten rasch Varianten für Post, Feuerwehr und Polizei aus den Formen – zehn Jahre nach dem Start besaß der Wolfsburger Bestseller so eine zementierte Position im Wiking-Programm! Derweil hatten die Berliner Modellbauer den Golf I noch lange nicht vergessen. Sie schickten 1986 den Golf Caddy als Allrounder ins Programm. Als 1991 bei VW die Produktion des Golf der zweiten Generation nach 6.301.000 Fahrzeugen auslief, standen erstmals in der bis dahin schon über vier Jahrzehnte langen Zusammenarbeit zwischen Wiking und Wolfsburg beide Hersteller in den Startlöchern für einen zeitgleichen Serienstart. „Just in time“ hieß das Motto der Zukunft für Vorbild und Modell des Golf III. Inzwischen hielt Volker Sieper nach der Wiking-Übernahme das Ruder in der Hand und hatte frühzeitig den modellbauerischen Turbo aktiviert.
Zum Serienstart präsentierte Wiking die dritte Generation in der zweitürigen und viertürigen Version und schickte ein Jahr später sogar das neue Cabrio an den Start. Den ersten Wiking-Golf hatte es noch als lose Ware aus dem Mehrstück-Karton gegeben, der zweite folgte bereits in einer Klarsichtfaltschachtel. Und während der ersten Produktionsjahre der dritten Baureihe rief Wiking über einen Umweg die Klar- sichtfaltschachtel mit Podesteinleger zur markengerechten Standardpräsentation aus.
Wie beim deutlich aufgewerteten Vorbild war auch in modellbauerischer Hinsicht beim Golf III alles anders. Gesilberte Felgen der einteiligen Räder gab es nicht mehr, die Modellbautraditionalisten spendierten der dritten Generation bauteileigene Felgen. Eingesetzte helltransparente Frontscheinwerfer und rot-transparente Heckleuchten sollten Garanten eines ausdrucksstärkeren, typen-näheren 1:87-Profils werden. Vom Vorbild des Golf III hatte VW am Ende 4.805.900 Fahrzeuge produziert.
Das Jahr 1997 hieß dann die Generation Golf IV willkommen! Ferdinand Piëch, der schon 1993 Carl Hahn als Vorstandsvorsitzenden abgelöst hatte, wollte die neue Generation premium-like realisiert wissen. So ließ Wiking den neuen Golf IV zeitnah in die Serie rollen, 1999 folgte schon der Variant.
Als 2008 der Golf VI in den Startlöchern stand, musste man sich über den Typenerfolg wahrlich keine Gedanken mehr machen. Wiking war wieder von Anfang an dabei, verfügte unter strengster Geheimhaltung über die frühen Daten, und das viele Monate vor der öffentlichen Präsentation. Auch dieser 1:87-Golf konnte sich sehen lassen. Schon von vorn wirkte er spürbar flacher. Eher behäbig wirkte der zusätzlich gefertigte Golf Plus. Natürlich knüpfte auch der Golf VI nahtlos an die längst obligatorisch gewordene Wiking-Modellqualität seiner Vorgänger an. Dass es in der Typenchronologie von Wiking beim Golf I bis VI geblieben ist, darf vor allem dem veränderten Modelleinkauf der Fahrzeugindustrie nach der Jahrtausendwende zugeschrieben werden. Dem kostspieligen Formenbau wurde schlichtweg die wirtschaftliche Amortisation entzogen. Mangels Industrieaufträgen fehlte die veritable Stückzahl, um dem weiteren Golfstrom zu folgen. Ein schönes Sammelthema – vom Youngtimer bis in die Neuzeit – ist es dennoch geworden.